Dienstag, 17. August 2010

Privatisierung — ein Schock?

In vielen Gemeinden Österreichs sieht man sich nunmehr geradezu schockiert dem Entschluss gegenübergestellt, dass kleinere Postämter geschlossen werden, schlicht weil sie nicht mehr rentabel sind. Dieser Umstand rief freilich heftige Polemiken und Unmut hervor. Zu Recht sehen sich die Bürger in ihrem Anrecht auf Infrastruktur beschnitten, auch die Bürgermeister sehen sich veranlasst, als Anwälte der Bevölkerung aufzutreten und für deren Bedürfnisse einzutreten.

Wenn der Sachverhalt nicht so traurig und besorgniserregend wäre, so könnte man es durchaus als amüsant bezeichnen, dass der Gutteil dieser Gemeinden traditionell von der ÖVP regiert wird und in vielen dieser Kommunen selbst Ergebnisse jenseits der 60% für die Volkspartei gewöhnlich sind. Paradox? Ja, denn wie keine andere Partei hat die ÖVP stets und mit aller Gewalt die neoliberale Doktrin vorangetrieben und jeglichen Wirtschaftszweig in staatlicher Hand zu privatisieren gesucht. Der Großteil der Privatisierungen, deren Folgen den gutgläubigen und — scheinbar — kurzsichtig naiven ÖVP-Wählern (und auch allen anderen) heute auf den Kopf fallen, wurde in der Zeit der rechts-rechten Koalition zwischen der ÖVP und der FPÖ realisiert. Leider wird auch das wunderschöne Beispiel der Postamt-Schließungen, provoziert durch (in der Privatwirtschaft) notwendig profitorientierter Kalkulation nicht dazu führen, dass die traditionell schwarze Wählerschaft an der Vernunft ihrer politischen Einschätzungen zu zweifeln beginnt, genauso wenig, als das die Wirtschaftskrise zu tun vermochte. Es scheint wiederum so zu sein, dass den in der Regierung befindlichen Parteien alle Mittel zur Verfügung stünden, vermöge derer sie eigene Fehler schlechterdings hinfortradieren können. Zu einer differenzierten Auseinandersetzung mit Problemen und deren Ursache fehlt dem Durchschnittswähler ohnehin die Zeit und auch die Lust.

Mithin werden weitere Bereiche der Wirtschaft privatisiert werden und somit der Kalkulation von Angebot und Nachfrage unterworfen. Das Angebot wird den einschlägigen Gesetzen folgend radikalisiert werden, als an vielen Beispielen gerade passiert. Angebotene Dienstleistungen/Produkte sind entweder einträglich, werden einträglich gemacht (durch unbezahlbare Preise) oder gestrichen, losgelöst von der Überlegung, ob sie einzelnen Teilen der Volkswirtschaft Not tun. Vielleicht wird unsere Wirtschaft dereinst eine dergestalt progressive Ausformung erreichen, dass nur noch Eliten Zugang zu Bildung und Wasser haben, da ein breites Angebot schlicht nicht rentabel ist.

Mithin wird der kurzsichtige Krieg der Wirtschaft nicht durch einmütige Zusammenarbeit ersetzt, sondern vielmehr in derselben Weise fortgesetzt, als sie das Scheitern verursacht hat.

1 Kommentar:

  1. Bedauerlicherweise ist solcher technokratisch-ökonomistischer Unsinn gerade groß in Mode...

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