Phonetik und
Phonologie können so unendlich schön sein. Doch sie sollten nicht im
Selbstzweck versinken und lebloses Lehrmaterial sein, als ich etwa die Algebra
kennen gelernt habe. Vielmehr sollte das Wundern über die Sprachen im
Vordergrund bleiben.
Regularität
und Globalität
Niemand kann
entschlüsseln, weshalb sich Sprache wandelt. Das Italienische ist nicht
»besser« oder »schlechter« als das Lateinische und alle Texte können in beide
Sprachen übersetzt werden. Cäsar konnte mit Marcus Antonius spaßen und
Francesco Totti kann seinen Scherz mit Daniele de Rossi treiben… Und doch haben
sich die Sprachen verändert und verändern sich noch immer. Natürlich kann man
zumindest hinter dem Wandel zum analytischen Sprachbau eine gewisse
Vereinfachung wähnen, doch schon die machte zuvor eine Komplizierung notwendig.
Unfassbar komplex die baskische Morphologie… oder das Sanskrit…
Doch was ist
mit dem Lautwandel. Hier geschehen wahre Wunder…! Die furlanische
Vokallängung tritt nur unter drei Bedingungen ein, die zur sogenannten posizione
forte führen, die zu einem gelängten Vokal wird. Die Festlegung dieser
Konditionen ist ohne Kenntnis der Phonetik und Phonologie nicht möglich. Und
doch haben tausende Furlaner, ohne über derlei Kenntnisse zu verfügen, diesen
Lautwandel in ihre Sprache geflochten. Niemand hat je einem Furlaner befohlen,
aus muedo ein mût und nicht etwa ein mut zu machen, oder
umgekehrt eine Längung nicht durchzuführen, wenn die Bedingungen nicht erfüllt
sind — und doch wird der Wandel in absoluter Konsequenz vollzogen.
Ähnlich
faszinierend die Zirkularität und die Universalität von
Lautwandelerscheinungen. Monophthongierung und Diphthongierung sind in
zahlreichen Sprachen häufig anzutreffende Kumpane. Und fröhlich lächelnd
wechseln sie sich ab, machen aus dem lateinischen … Und genau so, wie das auf
das Italienische zutrifft, trifft es auf das Deutsche zu. Während im
Mittelhochdeutschen das Haus noch Hûs hieß, diphthongiert man
heute etwa im Steirischen die Hand zu einer Haund. Umgekehrt
fragt man mitunter nicht weißt du, sondern monophthongiert zu wasch?
Ferner sind
auch Lautsubstitutionen spannend. So kann man etwa davon ausgehen, dass das
Wort Kaiser recht früh aus dem Lateinischen entlehnt wurde: Die
Palatalisierung ([tsEsar))
hat noch nicht stattgefunden. Anders verhält es sich mit den Wörtern Федор oder
орфография. Als sie vom Griechischen entlehnt
wurden, kannte man dort schon den Lispellaut (θ), der im Russischen substituiert wurde.
Vom
Etruskischen kennen wir nur die Zahlen von 1-6, aber wir wissen nicht, welche
wem entspricht…
Man beachte
etwa folgende Autokorrektur:
teatro → *teatr → teater (Etymon, Apokope, Epithese)
Oder diese
geschickte relative Chronologie:
questo (→ questo) → quest (Etymon,
Apokope)
questi → quisti → quist (Etymon, Metaphonie, Apokope)
bleiben unterscheidbar.
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