Mittwoch, 23. September 2009

Romantischer Materialismus

Der romantische Materialismus sucht die zwei großen menschlichen Leidenschaften, Erkennen und Empfinden zu einer bekömmlichen Synthese zu vereinen.

Auf der einen Seite drängt der materialistische Aspekt nach Wahrheit und erkennt die immer mehr in der Materie selbst. Immer mehr Phänomene können durch die Wirkung der Substanz erklärt werden, wodurch zahlreiche Mysterien ausgelöscht werden. Die konsequente Weiterführung dieser Haltung könnte letztlich zur Reduktion der ganzen Welt auf kalkulierbare, biochemische Prozesse führen.

Wider das Wissen bzw. die Überzeugung, dass der Gang der Welt durch materielle Bedingungen gekennzeichnet und folglich determiniert ist, wird mit der romantischen Komponente ein magischer Trick eingeführt. In der starken Romantik existiert weder Wahrheit noch Lüge, denn die Wahrheit ist dem Menschen nicht zuträglicher, als es die Lüge oder zumindest die verschwommene Wahrnehmung der Wahrheit ist. Wir können also selbst sagen, der romantische Materialismus (oder aufgeklärte Romantik oder Chaos-Materialismus) beruht auf der Annahme eines mechanistischen Weltbildes, das durch die Materie selbst zu einem romantischen Ansatz gedrängt wird. Dadurch wird der romantische Materialismus zu einem durchwegs relativistischen. Er trägt uns nämlich auf, alles in einem romantischen, magischen Lichte zu gewahren.

Die materialistische Gestalt ist der pragmatische Boden des Gedankens. Mein Verstand führt mich mit meinem Überlegen zu der Annahme, dass die Welt mit allen Mitwirkenden einem mechanistischen, deterministischen Prinzip folge. Das Erste bedingt das Zweite und dieses ist die Ursache für das Dritte. Diese Überzeugung muss nun aber nicht mit der Feststellung gleichgesetzt werden, dass somit alles Menschliche verfalle und wir alle einem fatalistischen Handeln folgen sollten. Vielmehr hindert uns das Fatum daran, dergestalt zu leben. Wir wollen die Liebe nicht auf biochemische Prozesse reduzieren. Je mehr wir aber von deren Wahrheit überzeugt sind, desto mehr sind wir gezwungen, die Liebe (oder ähnlich geartete Phänomene) durch unsere Kreativität und Leidenschaft (und unseren Hang zum Selbstbetrug) zu mythologisieren und das Mysterium künstlich herbeizuführen.

Als der materialistische Aspekt als der analytische, »prosaische« gelten kann, so mag man den romantischen Aspekt als den synthetischen, »lyrischen« auffassen, der durch seine ganze Natur zu verzaubern sucht.

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