Mittwoch, 24. März 2010

Katholizismus und Kapitalismus

Was haben Katholizismus und Kapitalismus gemein? Nun, gewiss könnte man hierzu einige Facetten darlegen, einige Geschichten anführen und einige Verbrechen ausgraben... Gleichwohl möchte ich mich jetzt nicht auf großes Ineinanderwachsen konzentrieren (wie es auch geschehen ist), sondern isoliert vergleichen.

Die Anwort auf die ich also hinauszukommen suche ist die Folgende:

Sowohl der Katholizismus als auch der Kapitalismus sind in ihrer Form gescheitert, wurden aber durch »Gewaltakte« am krankenden Leben behalten.

Über das Scheitern des Kapitalismus müssen nicht mehr viele Worte verloren werden. Die Ideen von Montesquieu oder Smith sind lange widerlegt, ein System, das daran scheitert (und dessen Ziel auch gar nicht darin besteht,) den Gutteil der Menschheit zumindest mit dem Notwendigsten zu versorgen ist ohnehin als gescheitert zu bezeichnen. Seine Ausgestaltung als ewigen Krieg unterstreicht die Anführung. Wie als ob das noch nicht genug wäre, ist der Kapitalismus auch noch in sich gescheitert und hat nicht nur in seinem Wachsen die Welt zum Scheitern gebracht! Er ist zusammengebrochen und konnte allein durch das Wirken der Staaten und folglich der Arbeiter gerettet werden, die vom System schon zuvor ausgebeutet wurden und die an dessen strukturellem Scheitern keine Schuld tragen. Mit mehr oder minder großem Entsetzen stellen wir jedenfalls fest, dass das Scheitern des Systems an seiner Struktur keine bedeutsamen Änderungen nach sich zog, und dass auch die geringsten einschlägigen Gesetzestexte heiß umstritten sind und zumeist niedergerungen werden. Vater Staat hat also wieder seinem geschwistermordenden Sohn die Mittel in die Hand gegeben, nachdem der sie verloren hatte.

Genauso wie aber der Kapitalismus gescheitert ist, so ist auch der Katholizismus gescheitert. Er ist daran gescheitert, eine halbwegs vertrauenswürdige, schlüssige und kohärente Ideologie zu schaffen, der ein denkender Christ anhängen könnte. Mir ist durchaus bewusst, dass das Jahrtausende alte Erbe, die sogenannte Tradition wohl als Segensgeschenk deklariert wird, in Wahrheit aber eine Gipsmaske ist, die dem Vatikan heute jegliche Bewegungsfreiheit raubt. Die Ideen, die Ethik, die Welt der Werte sind der Kirche davongelaufen und sie kann nicht hinterher, weil sie die Türe selbst verschlossen hat. Sie hat dareinst den Anspruch geschaffen, »Stellvertreter Christi« auf Erden zu sein, sie gab an, das »Licht der Gläubigen« zu sein, dem diese unbedingt folgen müssten, ferner sei auch die »Unterwerfung unter den Heiligen Stuhl zum Heil zwingend notwendig«, die Kirche, die »Gnadentaten spendend durch die Jahrhunderte schreitet«, urteile in Moralfragen für alle Katholiken verbindlich usf. Es gibt also auf der einen Seite diese gigantische und wohl auch beeindruckenden Form des Anspruchs der Kirche. Daneben, allein, findet sich (wenn man genau hinsieht) das elendige Häufchen mit der Bezeichnung Wirklichkeit. Hier finden wir eine Reihe von Päpsten, die nach heutiger Anschauung Verbrecher waren, viele derer wurden mittlerweile auch »heilig gesprochen«. Wir finden tausende Bullen, Enzykliken und Rundschreiben, die zu Sünden wider die Menschlichkeit aufrufen. Wir wissen um den Goldschatz, den der Vatikan im Laufe seiner Regentschaft angesammelt hat, wir wissen um das präpotente und — blasphemische — Auftreten der »Heiligen Väter«. Wir sehen also, dass diesen beiden Welten: Anspruch und Wirklichkeit keine Vollendung zugänglich ist. Was bleibt ist nichts als ein großer Widerspruch! Eine Diskrepanz zwischen der Kirche feierlicher Verlautbarungen und der Kirche, die in die Welt eingegriffen hat. Es werden Christen kommen (viele derer sind auch schon da), die dem Papst nicht einfach glauben, weil behauptet wird, er sei der »Heilige Vater«, die seine Worte vielmehr prüfen wie die jedes anderen. Die jüngsten Geschehnisse innerhalbe der katholischen Kirche unterstreichen wiederum die Aussage, dass der Katholizismus mithin gescheitert sei. Doch auch an dieser Idee wird verbissen festgehalten. Reformwünsche werden ignoriert und verurteilt, die Liebe wird von einem Bündel an Dogmen, theologischen Fantasien, Hierarchien und Gesetzen fortwährend verjagt, so sie sich überhaupt in die kalten Mauern des Vatikan verirrt hatte. Ich bin mir dessen bewusst, dass es schlechterdings unmöglich ist, ein gutes Jahrtausend Katholizismus schlichtweg »umzudrehen«, einen Strich unter die Geschichte zu machen, weil das bedeutete, älteste Ideen wie die »Apostolische Sukzession«, die alleinige Gewalt des Papstes oder den selbstherrlichen Anspruch des Apostolischen Stuhl niederzulegen, weil das bedeutete, dass tausende Schreiben Makulatur und viele »Heilige« zu biederen Verbrechern würden. Gleichwohl wird dieser Schritt gegangen werden müssen, will die Kirche irgendwann ihre Glaubwürdigkeit zurückgewinnen. Bisher ist es allein eine mit harter Hand zusammen gehaltene Despotie, die aus glücklichen Umständen heraus beinahe jegliche weltliche Macht verloren hat. Es ist eine gescheiterte Institution, die aus der Not der Tradition heraus zusammengehalten wird. Nur leider nicht der Belustigung willen, sondern des Spielchens mit der Wahrheit!

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